Seit der Erfindung von CRISPR/Cas9, auch bekannt als "Genschere", arbeiten WissenschafterInnen weltweit an der Verbesserung der revolutionären Technik zur Veränderung von DNA, die Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna 2019 den Nobelpreis brachte. Die Methode ermöglicht die tiefgehende Erforschung des menschlichen Genoms und eröffnet enorme Potenziale für die Behandlung genetischer Erkrankungen. Da die CRISPR/Cas9 Technologie noch ungenau und wenig vorhersehbar war, arbeiten WissenschafterInnen weltweit heute an Weiterentwicklungen, die das präzise Vornehmen von Veränderungen an der DNA ermöglichen.
Eine kürzlich im Fachjournal Nature Communications publizierte Studie widmete sich der Frage, wie Prime Editing, eine Technik, die höhere Zielgenauigkeit beim Vornehmen von DNA-Veränderungen verspricht, noch präziser werden kann. Die Studie wurde von der Forschungsgruppe von CeMM Adjunct Principal Investigator Joanna Loizou, Principal Investigator und Gruppenleiterin am Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien sowie Mitglied des Comprehensive Cancer Center (CCC) der MedUni Wien und des AKH Wien, durchgeführt.
Deaktivierung von "Mismatch Repair"
Prime Editing ist ein leistungsfähiges Genom-Engineering-Werkzeug, das den Austausch, das Einfügen und Entfernen von DNA ermöglicht. Die Effizienz der Methode ist jedoch bis dato sehr unterschiedlich und hängt nicht nur von der anvisierten Genomregion, sondern auch vom genetischen Hintergrund der editierten Zelle ab. Die StudienautorInnen Joana Ferreira da Silva, CeMM PhD Studentin, und Gonçalo Oliveira vom Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien, untersuchten, welche Faktoren den Erfolg des Prime Editings beeinflussen und nahmen dabei die zelleigenen DNA-Reparaturprozesse unter die Lupe. Bei der Genom-Editierung spielen diese zellulären Mechanismen eine wesentliche Rolle.
Die WissenschafterInnen erklären: "Je nach Art der DNA-Schäden, verfügt eine Zelle über unterschiedliche zelluläre Reparaturmechanismen. Um herauszufinden, welche davon beim Prime Editing aktiv werden und relevant sind, haben wir ein gezieltes genetisches Screening von DNA-Reparaturfaktoren durchgeführt, das alle bekannten Reparaturpfade abdeckt. Nur so können wir herausfinden, welchen Einfluss diese Reparaturmechanismen auf unsere Editierung haben."
Studienleiterin Joanna Loizou ergänzt: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der DNA-Reparaturmechanismus ‚Mismatch Repair‘, der bei Basenfehlanpassungen im Genom aktiv wird, das Ergebnis des Prime Editings beeinflusst. Je nach Zelllinie, Art und Stelle der Bearbeitung, die wir durchführen möchten, können wir die Effizienz des Prime Editings durch die Ausschaltung von ‚Mismatch Repair‘ um das 2- bis 17-fache erhöhen." Im Rahmen der Studie zeigte sich an der Stelle der Genom-Editierung eine Anhäufung von MLH1 und MSH2, Proteine, die am Prozess Mismatch Repair beteiligt und jeweils für das Erkennen und Entfernen der falschen Base verantwortlich sind.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Aktivität der Mismatch Repair-Proteine die Effizienz von Prime Editing hemmt. "Indem wir diesen Mechanismus einer Zelle entfernen, zeigen wir, dass die Effizienz von Prime Editing erhöht und seine Genauigkeit verbessert werden kann", so Loizou. Die neu gewonnenen Erkenntnisse bringen die Technologie des Prime Editings einen weiteren Schritt näher an die klinische Anwendung zur Verbesserung von Therapien.
Service: Nature Communications
"Prime editing efficiency and fidelity are enhanced in the absence of mismatch repair"
Joana Ferreira da Silva*, Goncalo Oliveira*, Emili Augusti Arasa Verge, Chrysanthi Kagiou Amandine Moretton, Gerald Timelthaler, Josef Jiricny, Joanna Loizou;
*geteilte ErstautorInnen
DOI: 10.1038/s41467-022-28442-1