Molekulare Epidemiologie des kolorektalen Karzinoms
Das kolorektale Karzinom ist weltweit die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache und stellt somit ein wichtiges Public-Health-Problem dar. In Österreich ist die Inzidenzrate – mit ca. 4.500 neu diagnostizierten kolorektalen Karzinomen im Jahr 2022 – im unteren Drittel der EU.
Sporadische kolorektale Karzinome entwickeln sich in einem langsamen Prozess von präkanzerösen Polypen über „high-risk“-Adenome schlussendlich zu Krebs. Diese Entwicklung über zehn Jahre eröffnet Möglichkeiten für Screening und Krebsfrüherkennung. Früherkennung des kolorektalen Karzinoms ist ein wichtiger Aspekt, da das Stadium zum Zeitpunkt der Diagnose der wichtigste prognostische Faktor ist.
Genom-weite Association-Studien (GWAS) des kolorektalen Karzinoms
Das kolorektale Karzinom ist eine komplexe Erkrankung, wobei sowohl genetische als auch Lifestylefaktoren zum individuellen Risiko beitragen. Genetische Faktoren sind für ca. 35% der inter-individuellen Variabilität des kolorektalen Karzinom-Risikos verantwortlich. Im letzten Jahrzehnt wurden durch GWAS 250 Risikoloci für das kolorektale Karzinom identifiziert. Allerdings wurde bisher nur ein Drittel aller Risikoloci identifiziert.
Unsere Forschungsgruppe hat GWAS unter Verwendung von Axiom Arrays (Affymetrix), von 1060 Patient:innen mit kolorekatelm Karzinom, 689 Patient:innen mit „high risk“-Adenomen und 4367 Kontrollen aus unserer Biobank „Colorectal Cancer Study of Austria“ (CORSA) durchgeführt. Wir haben sowohl „single marker analysis“ als auch „model selection“ angewandt, um das genom-weite Risiko zu untersuchen (Hofer et al. 2017).
Diese GWAS-Daten wurden in internationale Konsortien wie „Genetics and Epidemiology of Colorectal Cancer Consortium“ (GECCO) und „COlorectal cancer GENeTics“ (COGENT) eingebracht, um eine ausreichende statistische Power zur erreichen und so zusätzliche Risikoloci für das kolorektale Karzinom zu identifizieren.
Die Identifikation von vererbten genetischen Faktoren kann dazu beitragen, ein individuelles Risikoprofil zu erstellen und damit ein personalisiertes Screening zu ermöglichen. Da genetische Varianten mit Umweltfaktoren interagieren, werden diese in das Modell integriert.
„Metabolomic profiles throughout the continuum of colorectal carcinogenesis“ (MetaboCCC)
Metabolomics ist eine innovative Methode, bei der eine Vielzahl von Metaboliten systematisch untersucht wird, um biologische Phänotypen mit einem bislang ungekannten Ausmaß an Präzision zu charakterisieren. Neue Biomarker, die das Risiko der Progression entlang des Pathways der kolorektalen Karzinogenese charakterisieren können, sind dringend notwendig, um maßgeschneiderte Präventionsstrategien zu ermöglichen.
Das MetaboCCC-Konsortium, bestehend aus den TRANSCAN-Ländern Niederlande, Deutschland, Österreich und Norwegen, hat metabolomische Analysen von 2.300 Plasmaproben (Patient:innen mit kolorektalem Karzinom (Stadium I-IV), Patient:innen mit Adenomen und Kontrollen) durchgeführt. Die Analysen erfolgten wurden in einem Expert:innenlabor der International Agency for Research on Cancer (IARC, Frankreich).
MetaboCCC hatte das Ziel Änderungen des Metaboloms entlang der kolorektalen Karzinogenese zu untersuchen. Es wurden mehrere „discovery“- und „replication“-Schritte angewandt, um den biologischen Mechanismus der kolorektalen Karzinogenese zu definieren. Für eine umfassende und komplementäre Strategie werden sowohl „targeted“ als auch „untargeted“ Metabolomics-Technologien angewandt.
Die Identifizierung neuer Metabolite im Blut, die die Transition zwischen verschiedenen Stadien der kolorektalen Karzinogene definieren, könnte für die Risikostratifizierung des kolorektalen Karzinoms eingesetzt werden.
„Biomarkers related to folate-dependent one-carbon metabolism in colorectal cancer recurrence and survival“ (FOCUS)
Krebspatient:innen greifen oft auf Nahrungsergänzungsmittel zurück, in der Annahme möglicher positiver Effekte. Allerdings kann es im Fall von Folat den gegenteiligen Effekt haben, weil hohe Folateinnahme das Wachstum von Krebszellen stimuliert. Folat ist in den „one-carbon“-Metabolism involviert, beeinflusst die DNA-Synthese und unterstützt das Tumorwachstum.
Das FOCUS-Konsortium, bestehend aus verschiedenen europäischen Kohorten mit insgesamt 1.584 Patient:innen mit kolrektalem Karzinom, plant die Rolle von Folat aus der Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel, den Einfluss von „one-carbon“ metabolischen Biomarkern und den Zusammenhang mit dem klinischen Output zu untersuchen.
Biomarker des „folate-mediierten one-carbon“ Metabolismus (FOCM) und Diät-/Nahrungsergänzungsmittel werden als Komponenten des Folatstatus vor dem chirurgischen Eingriff, als auch sechs und zwölf Monate danach untersucht. Weiters wird bestimmt, welche Biomarker in Zusammenhang mit FOCM mit Folataufnahme assoziiert sind und ob der Folatstatus einen Einfluss auf die Toxizität bei Patient:innen, die eine 5-FU Chemotherapie erhalten, hat.
Wir erwarten durch diese einmaligen Ressourcen, den Effekt von Folat- und FOCM-Biomarkern auf die Prognose aufzuklären und Patient:innen klinisch relevante Ratschläge bereitstellen zu können sowie tertiäre Präventionsstrategien definieren zu können.
„Gut MICRObiome-based approach for incorporating new biomarkers into COLOrectal cancer screening“ (MICROCOLO)
Es besteht ein dringender Bedarf an neuen nicht-invasiven Screeningmethoden, um Personen zu identifizieren, die sich einer Koloskopie unterziehen sollten, und solchen, die eine Koloskopie schon in jüngeren Jahren wie von den Screeningprogrammen empfohlen, benötigen. Das Darmmikrobiom dürfte direkt in die kolorektale Karzinogenese involviert sein. Es gibt Hinweise, dass Änderungen des Darmmikrobioms während allen Stadien der kolorektalen Karzinogenese auftreten, dies dürfte auf eine diagnostische Rolle des Mikrobioms hinweisen.
Die Integration der Mikrobiomstudie in das kolorektale Karzinom-Screeningprogramm „Burgenland Prevention Trial of Colorectal Cancer Disease with Immunological Testing“ (B-PREDICT), das „Fecal Immunochemical Tests“ (FIT) für das initiale Screening benützt, ermöglicht uns den Zugang zu einer großen Anzahl von FITs zur nochmaligen Verwendung für die Mikrobiomanalyse.
myBioma GmbH – unser Firmenpartner des FFG (Bridge) Projektes – stellt ihren bereits etablierten „data processing“- und Statistikanalyse-Workflow zur Verfügung, um die resultierenden Mikrobiomdaten zu prozessieren. Prediktive Mikrobiom-basierende Signaturen, spezifisch für das kolorektale Karzinom und „high-risk“-Adenome, werden durch multivariate statistisches Modelling definiert. Die Kombination von konventionellen Screeningmethoden wie FIT mit Mikrobiom-basierenden Methoden ist ein vielversprechender Ansatz zur Früherkennung des kolorektalen Karzinoms und kann die diagnostische Exaktheit verbessern.